AnNäherung – ein Wochenende im Nährausch

Vieles hatte ich mir vom AnNäherungs-Wochenende in Bielefeld erwartet, aber nicht dass sein Eindruck und die Atmosphäre noch weit bis in den Alltag nachhallen. Ich gebe zu, ich hatte anfangs ein wenig Vorbehalte, da ich noch relativ neu in der Nähblogger-Szene bin und im Vorfeld kaum Teilnehmerinnen kannte. Außerdem sind Community-Treffen manchmal ein wenig eigenartig, die Leute etwas schräg oder die Stimmung verkrampft. Nicht so an diesem Wochenende, was möglicherweise an der Zusammenstellung der Teilnehmerinnen lag: Es trafen sich 38 Frauen aller Altersgruppen, unterschiedlichster Figurtypen, aus allen beruflichen Richtungen, mit Familie oder ohne. Der große gemeinsame Berührungspunkt, das Nähen, führte uns durch das Wochenende. Der große Vorteil: es gab kein festes Programm, so dass jede ihr(e) Nähprojekt(e) nach Belieben verfolgen konnte.annaeherung1

Neben den ca. 60 Nähmaschinen, 7 Bügelbrettern, Dampfbügelstation, Bügelpresse, Schneiderpuppe und Spiegel hatte jede Frau ihr persönliches Equipment mit. Und vom ergonomischen Nahtauftrenner bis zur zuckersüßen Reisenähmaschine von Elna war vieles an Ausrüstung dabei, was bewundert werden konnte. Darüber hinaus hatten einige Teilnehmerinnen Schnittmuster oder Zeitschriften zum Verschenken oder zur Anschauung mitgebracht, so dass ein schon lang gesuchter Schnitt endlich kopiert werden konnte.

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Das alles wurde sehr aufgeschlossen vom Team der Jugendherberge Bielefeld unterstützt, das uns nicht nur das Essen für im Stau steckende oder Stoff shoppende Teilnehmerinnen zurück hielt. Ohne mit der Wimper zu zucken wurde das gesamte Lager an Tischen geräumt, so dass wir zusätzlich zu den Nähtischen noch Zuschneidetische aufstellen konnten. Die Tische stellten wir zu mehreren großen Gruppen zusammen und jeweils 2 Näherinnen teilten sich einen Tisch. Außerdem hatte die Jugendherberge schon einige Mehrfachstecker und Kabeltrommeln installiert und für ein stabiles Stromnetz gesorgt. Als wir am Ende die zahlreichen Flusen, Fäden und Stoffreste saubermachen wollten, wurde uns ein Staubsauger verwehrt – und das obwohl es eine sehr deutliche Fadenspur vom großen Seminarraum zur Treppe und Toilette gab.annaeherung3

Ich hatte ja eigentlich vor, evtl live zu bloggen – aber ehrlich gesagt, habe ich es nicht geschafft. Freitag kamen wir an und räumten alles direkt in den Seminarraum, wobei es überhaupt keine Frage war, dass man gegenseitig mit anpackte und beim Aufbauen half. Nach einer teilweise sehr herzlichen Begrüßung, der Aufteilung der Zimmer und Verteilung der Namensschilder gab es eine Vorstellungsrunde, bei der jede ihren Namen, Blog (falls vorhanden) und ihr geplantes Projekt vorstellte. Dann wurde angestoßen und wir fingen an zu nähen. Diese konzentrierte, ratternde Stille, das Vertiefen in das eigene Projekt und gleichzeitig die Hilfsbereitschaft, Equipment zu verleihen, Rocksäume zu markieren oder Abnäher abzustecken – die Verbindung von Austausch und ‚Ich-mach-mein-Ding‘ war wirklich einmalig. Wenn ein Kleid nicht richtig saß, dann wurde eben ein Abnäher geändert und nicht an der Figur der Trägerin herum gemäkelt. Ganz ohne falschen Ehrgeiz, Besserwisserei oder Missgunst. Sondern in einer Atmosphäre, die geprägt war von Wohlwollen, Toleranz und Respekt. Das hat mich wirklich beeindruckt.

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Den Samstag Vormittag habe ich verschlafen, aber als ich gegen 11 Uhr in den Seminarraum kam, waren die Nähmaschinen schon fleißig am Rattern. Währenddessen machten sich einige Nähnerds auf zum Lagerverkauf von Marc Aurel, was mit wissendem Lächeln quittiert wurde. Am Samstag habe ich meine Maschinen nach über 12 Stunden(!) gegen Mitternacht ausgeschaltet. Ich hatte mein Hemdblusenkleid fast fertig genäht. Es entstanden noch viele andere Kleider, Röcke, Blusen, Jacken, Jacketts und auch an einem Brautkleid wurde fleißig gewerkelt. Eines der Kleider aus der Burda 12/2013 wurde gleich drei mal genäht – jedes so einzigartig wie die Frau, die es trägt.annaeherung6

Am Sonntag stellte ich mein Kleid fertig und fing eine Weste an. Die meisten Näherinnen hatten mehr als ein Projekt vorbereitet und zugeschnitten, so dass sie wacker weiternähen konnten, sobald ein Kleidungsstück fertig genäht war. annaeherung5

Wieviel am Ende präsentiert wurde, war aber überhaupt nicht wichtig. Jedes Ergebnis wurde mit großem Applaus belohnt, als wir uns Sonntag Nachmittag gegenseitig zeigten, was wir alles geschafft hatten oder was evtl. noch verbessert werden musste. Es war überwältigend, wieviele neue Kleidungsstücke an diesem Wochenende entstanden sind – in gemeinschaftlicher Arbeit aus eigener Kraft.annaeherung_collage

Noch mehr Erfahrungsberichte zur AnNäherung kann man bei Alex nachlesen.

 

CC BY-NC-SA 4.0 AnNäherung – ein Wochenende im Nährausch von Marja Katz ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-NichtKommerziell-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.

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Biologin aus Köln mit zwei kleinen Kinnings. Liebt ihre Familie, ihre Nähmaschine, ihr Cello.
11 comments
  1. Ich würde am liebsten unter jeden AnNÄHerungs Post einfach nur ein großes Hach! setzen. Ich mache das jetzt auch einfach.
    HACH!
    Liebste Grüße!

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    Ich finde es gar nicht so einfach, das Erlebnis vom Wochenende in Worte zu fassen, aber Hach! trifft es echt gut 🙂

    Schade, dass meine Kamera nach der Hälfte der Abschlusspräsentation keinen Akku mehr hatte…

  3. Bielefeld?! Ist ja fast um die Ecke!
    Schön, dass es Dir so gut gefallen hat! 🙂

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    Ich hab auch sehr gegrinst, als wir am Paderborn-Schild vorbei gefahren sind. Kannst ja nächstes Mal mitkommen!

  5. Nehmt Ihr da so Newbies mit? Ich käme mir sicher etwas albern vor. 😉
    Aber zugegeben, ich beneide Dich um so viel Nähzeit!

  6. Nährausch ist der richtige Ausdruck und irgendwie bin ich mit meinen Gedanken immer noch in Bielefeld. Schön, dich kennengelernt zu haben!
    LG Rita

  7. Tolle Fotos zum Schwelgen! Herzliche Grüße aus Bielefeld:)

  8. Ja, es war echt toll! Und ich hatte ganz nette und lustige Sitznachbarinnen, das war schön 🙂 Hach!

  9. Hach… Schön hast Du es geschrieben. Es war einfach toll. Schön, dass ich Dich auch kennengelernt habe. LG

  10. Ui, da wart ihr ja sehr fleißig! Es sieht aber auch nach sehr viel Spaß aus!
    Toller Beitrag 🙂
    Viele Grüße

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