Me Made Mittwoch: Inside out

Heute zeige ich beim Me Made Mittwoch ein nagelneues und ein älteres Stück. Das neue ist das Top Esme von Sew Liberated (via urban cut), eine (sehr) weite und bequeme Tunika. Kombiniert habe ich dazu einen Leinenrock, den ich hier schon einmal gezeigt habe. Damit bin ich schon reichlich luftig unterwegs – ein klares Signal an Petra (generisches Femininum beim Wetter, go!), dass es endlich wärmer werden soll.

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Die Esme ist eigentlich sehr schnell genäht. Der Ausschnitt ist prädestiniert für Verzierungen, Stickereien oder Paspeln. Die Paspel ist aus dünner Gummikordel und Viskose vom Geburtstagskleid und demnach dehnbar. An einigen Stellen wellt sie sich, das geht sicher besser. Aber mit ein bisschen zupfen und ziehen liegt sie eigentlich ganz gut. Einen dämlichen Fehler habe ich noch beim Zuschneiden gemacht: Ich habe die Seitenkante des Vorderteils an den Stoffbruch statt die vordere Mitte. Jetzt habe ich vorne eine Naht, die mich ärgert – aber sonst fällt sie glaube ich kaum jemandem auf.

Die Knöpfe werde ich noch einmal abmachen und durch Knöpfe ersetzen, die farblich besser zur Paspel passen. Die Tunika habe ich aus Crash-Viskose vom Stoffmarkt genäht. Eigentlich ist für den Schnitt leichte, gut fallende Webware vorgesehen. Durch den Ausschnitt und die Weite des Oberteils funktioniert der Schnitt meiner Meinung nach aber wirklich nur mit sehr, sehr leichten Stoffen. Sonst wird sie einfach zu weit und bauschig. Mit Viskose hat es sehr gut funktioniert, auch wenn ich an der Ärmel-Seitennaht noch mal jeweils 1,5cm herausgenommen habe. Ich überlege, ob ich sie mit Bindebändern noch etwas auf Taille bringe. Ansonsten wäre sie auch ein 1a Schwangerschaftsteil – bis zum Entbindungstag.esme2

Ich habe die Esme komplett mit Overlock genäht, was ausgezeichnet funktioniert hat. Ich hab mir auch gar kein gefummel an den Schulternähten mit halb offener Passe, umschlagen, festnähen, blabla angetan (so steht es in der Anleitung), sondern ganz einfach überall mit meinem geliebten Traktor drüber gerattert. Darum sieht sie von innen – wie ich finde – auch recht ordentlich aus. Meine Overlock hat mich an der Knopfleiste-Paspel-Naht zwar ganz schön angeknurrt (11 Lagen Stoff!), aber mit gutem Zureden und Handrad hat sie dann doch sehr ordentlich genäht. Rechts am Ärmel hängt noch ein unverstochener Faden – habe ich natürlich erst im Büro gemerkt. War klar, oder?esme3

Den Saum habe ich klassisch mit Overlock versäubert, einmal umgeschlagen und mit einfacher Naht abgesteppt. Normalerweise nehme ich für sowas die Zwillingsnadel. Aber ehrlich gesagt hatte ich keine Lust, a) umzubauen/umzufädeln und b) noch zwei Spulen in der Farbe extra dafür aufzuspulen. esme4

Als Kontrast dazu zeige ich den Rock von innen. Die Kanten habe ich (genäht 2009) mit engem, schmalen Zickzack versäubert. Den Saum ebenfalls einmal umgeschlagen und einfach festgenäht.leinenrock2

Der Rock ist ungefüttert, nur die Hüftpasse liegt doppelt. So war der Reißverschluss auch nicht sonderlich arbeitsintensiv oder kompliziert. Ist das ausreichend? Für meine Zwecke schon!leinenrock

Warum zeige ich heute meine Kleidungsstücke von innen? Vor einigen Tagen kam auf Twitter eine Diskussion auf, wie technisch perfekt wir unsere selbst genähten Sachen haben wollen. Wie aufwendig die Verarbeitung, wie ordentlich das Innenleben? Verlinkt wurde dabei ein amerikanischer Blog (Amandas Adventures in Sewing) einer jungen Mutter, die sehr viel Zeit und Liebe in ihre Kleidungsstücke steckt. Was und wie sie näht, ist sicherlich beeindruckend. Aber, ganz davon abgesehen, dass es kleidungstechnisch nicht mein Stil ist, habe ich mich gefragt, ob ich überhaupt technisch so durchgestylte Kleidung nähen will.

Da ich nicht den ganzen Tag zuhause bin, sondern Vollzeit arbeite, pendele und nebenbei noch kleine Kinder und den Haushalt einer 5köpfigen Familie wuppen muss, ist für mich die Antwort relativ eindeutig. Lieber fünfe grade sein lassen, als an einzelnen Kleidungsstücken tagelang herum frickeln. Die technische Perfektion zugunsten eines hohen Outputs zurück stellen. Kleidung nähen, die meinen Alltag (Kleinkinder, Fahrrad, Spielplatz) überlebt. Kleidung nähen, die mit mir und durch mich lebt. Das ist, was mich zufrieden stellt, jawoll. Deswegen zeige ich an meinen unperfekten Klamotten auch die Stellen, die sonst keiner sieht und stehe gern zu kleinen oder großen Nähschlampereien.

Unterschiedlichste Stile, Kleidungsstücke und nähtechnische Fertigkeitenlevel findest Du heute wie immer beim Me Made Mittwoch.

CC BY-NC-SA 4.0 Me Made Mittwoch: Inside out von Marja Katz ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-NichtKommerziell-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.

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Biologin aus Köln mit zwei kleinen Kinnings. Liebt ihre Familie, ihre Nähmaschine, ihr Cello.
12 comments
  1. Tolles Teil! Sieht nach nem Schnitt für mich aus.
    Und vielen Dank, dass du Dein Inneres nach Außen gestülpt hast! Das macht Mut! 🙂

  2. Haha, du bist ja herrlich pragmatisch!!! Schöne Teilchen, die du genäht hast!
    LG,
    Kathrin
    PS: Ich gehe trotzdem mal auf dem verlinkten Blog gucken, nur mal so… 😉

  3. genauso sehe ich das auch. Technisch perfekt kann es bei Haute Couture sein. Ich finde es klasse, daß du es ganz offen ansprichst – schöne Kleidung muss nicht bis ins letzte Detail „perfekt“ sein – perfekt ist sie, wenn die passt, sitzt, wackelt und genug Luft hat *lächel*

    Liebe Grüße
    Gusta

  4. Ich sitz gerade mit einem breiten Grinsen hier. Kann ich nur unterschreiben, was Du hier sagst. Zumindest in der Theorie. In der Praxis hab ich meinen manchmal echt ätzenden Hang zum Perfektionismus noch nicht so ganz ablegen können. Ob das auch für die Innennähte gilt, muss ich zukünftig mal beobachten 😉
    Aber egal, wie’s von innen ausschaut, von außen ist das eine tolle Kombi! Da würde ich am liebsten gleich selbst reinschlüpfen. Und der Stoff des Oberteils ist genial!!!

  5. Ging mir zu Beginn der Näherei nicht anders und blieb auch lange so. Leider habe ich beim Blick in den Spiegel dann doch immer mehr viel mehr erwartet als das, was zu sehen war. Auch Sitz und Passform waren bei mir eher suboptimal, so dass ich geradezu zwangsläufig ins Konstruieren gedrängt wurde.

    Nachdem ich für das Erlernen und Anfertigen von Schnitten so viel Zeit ver(sch)wendet hatte, war ich noch unzufriedener mit dem, was ich fertig brachte. Sicherlich spielt auch eine Rolle, dass man sich an Gutes gewöhnt und immer pingeliger und kritischer wird. Ich weiß für mich, dass ich niemals 100%ige Perfektion erreichen kann; immer wieder wird der Moment kommen, an dem ich aufs Gaspedal trete und Schnelligkeit vor Genauigkeit wähle. Aber doch: es wird mit jedem Teil besser, genauer und schöner. Verglichen mit dem, was ich vorher nähte – nicht mit dem, was echte Könnerinnen nähen. Das könnte ich auch gerne – aber bitte nur mit weniger Aufwand 😀 Komisch, klappt irgendwie nicht …

    PS: Ich wollte dich neulich nicht überfallen mit der Mail, nicht, dass du das falsch verstanden hast 🙂

  6. Nähschlampen-Ghetto-Faust!

    Ja, so sehe ich das auch. Allerdings muss ich zugeben, dass jetzt, wo mein Kleiderschrank ziemlich voll ist, mir es viel mehr Spaß macht, ordentlicher zu nähen. Verrückterweise finde ich trennen und neu nähen gar nicht mehr so schlimm wie früher. Ich weiß nicht, ob es an gemeinsamer Näh-Action, an Great British Sewing Bee oder am MMM liegt, aber ich werde immer besser und gewissenhafter und gebe mir mehr Mühe, eine gute Passform zu erreichen.
    Und meine neue Nähmaschine unterstützt mich dabei toll.
    Ich möchte also an dieser Stelle nicht ausschließen, dass ich in ein paar Jahren vielleicht auch so sauber nähen kann und will.

    Die Tunika finde ich übrigens ganz toll. Ich liebe so Passen, da kann man wirklich kreativ mit Stoffen und Techniken spielen. Und mit der Viskose hast du ein gutes Stoffhändchen bewiesen.

    Liebe Grüße

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    Vielen Dank für eure Gedanken 🙂

    Ich kann die Schnitte von Sew Liberated wirklich nur empfehlen – näht alle mal die Esme und das Ashland Dress, damit macht man echt nichts verkehrt 😉

    In dem besagten Blog geht es ja auch viel um Seidenblusen, französische Nähte etc. Der Kommentar auf Twitter war, dass wir da wohl noch ein bisschen üben müssten. Das war sicherlich nicht böse gemeint, ich fand es trotzdem aber nicht ganz zutreffend. Denn: Was soll ich mit Seidenblusen mit französischen Nähten? Die kann ich wahrscheinlich genau ein mal anziehen und dann sind sie ruiniert 😀

    Ich finde auch, dass man mit der Zeit immer besser wird – Übung macht hier einfach mal den Meister. Ich finde auch, dass der Blick kritischer wird, was Passform angeht, was knifflige Stellen angeht. Witzigerweise wird auch der Blick auf Kaufkleidung sehr, sehr viel kritischer und ich habe schon manchmal gedacht: Ohgott, wie unmöglich, diese H&M-Bluse! Das muss ich dringend mal aufmachen und verbessern.

    Es ist toll so viele Nähblogs und gute Vorbilder zu haben, weil sie nicht nur inspirieren, sondern auch anspornen. Daran war früher (wie das klingt!), als ich angefangen habe viel zu nähen, überhaupt nicht zu denken. Dennoch finde ich, dass man sich nicht frustrieren lassen sollte, wenn es mal nicht klappt. Wir sind einfach keine Schneidermeisterinnen, sonder (sehr ambitionierte) Freizeitschneiderinnen. Ich finde, bei uns ist viel mehr der Weg das Ziel…

  8. Mir gefällt deine Kombi sehr, toll, wenn man zu einem neuen Teil, gleich etwas passendes im Schrank hat. Was mich aber auch interessiert… welche Schuhe trägst du dazu? Bei mir fängt jetzt die Phase an, wo ich die Stiefel nicht mehr sehen mag, es für meine geliebten Clogs aber noch zu kalt ist. Vermutlich werde ich in der nächsten Zeit mehr Hosen tragen, da habe ich zumindest kein Schuhproblem…
    Was das Innenleben und die Passform meiner Kleidung angeht, werde ich immer perfektionistischer, was aber nicht heißen soll, dass das, was dabei heraus kommt, perfekt ist. Eine Schneiderin würde bestimmt manches Mal die Hände über den Kopf zusammenschlagen. Aber ich bin eben auch keine Schneiderin!
    LG Rita

  9. Mir geht es ähnlich wie Lotti, ich lege gerne immer mehr wert auf Perfektion, von perfekt noch ein Stück entfernt, aber ich möchte nicht aufhören zu lernen und mich zu verbessern. Und ehrlich gesagt kommt mir auch kein Teil aus dem Nähzimmer, was nicht für meine Augen gut aussieht, den Anspruch habe ich auf alle fälle, wenn es nach selbstgenäht aussieht ist was schief gelaufen. Tut es bei mir aber schon lange nicht mehr- finde ich und die Kommentare meiner Umwelt legen nahe dass das auch so ist. Ich trenne mittlerweile auch gerne und finde das nicht schlimm, außerdem nähe ich gerne von Hand, da kommt man um einigen Pfusch herum.
    Ehrlich gesagt fand auch ich den Tweet etwas frech, klang ja grade so, als hätte ich (bzw. Wir) in letzter Zeit mal was missratenes gezeigt, kann ich mich für meinen Teil nicht erinnern…
    Aber auch wenn meine Sachen von innen alle vorzeigbar sind, die Perfektion in dem genannten Blog finde ich doch etwas übertrieben. Fürs Hochzeitskleid gerne, aber für jeden Tag, die Zeit habe ich nicht und wenn ich sie hätte nähe ich lieber noch was anderes 😉
    LG, Katharina

  10. Avatar-Foto

    Pepita, im Moment trage ich Stiefeletten und meistens Stulpen, je nach Wetter. Ich habe aber ehrlich gesagt auch keine sehr große Schuh-Auswahl. Ich finde, dass Susi (http://alle-wuensche-werden-wahr.de/) immer ganz tolle Schuhe zeigt 🙂

    Danke auch für Deinen Kommentar, Katharina. Du warst in dem Tweet ja auch direkt angesprochen, was mich sehr(!) gewundert hat. Dass Du einen gewissen Anspruch an Deine Kleidung hast, kann ich sehr gut nachvollziehen. Ich freue mich auch über jeden Kommentar, dass meine Kleidung selbst kreiert aber nicht selbst gemacht (im Sinne von gewurschtelt) aussieht. Ich nähe auch ganz gern von Hand, trennen mag ich allerdings nicht so. Wenn’s beim dritten Mal nicht geklappt hat, brauche ich meistens erst einmal eine Pause. Ist aber mittlerweile relativ selten…

  11. Sehr hübsch, deine Tunika, schön auch die 3/4 Ärmel. Auf den Bildern finde ich sie auch nicht unvorteilhaft weit, halt ein lockeres Teil, in dem man sich bei (den sicher bald kommenden) warmen Tagen wohlfülen kann.

    Was das Nähen anbelangt, geht es mir so, dass ich gern dazulerne und ich durch Übung auch besser werde, aber bei mir nicht alles perfekt sein muß, damit ich persönlich es tragbar finde-bei mir geht im Zweifel die Kreativität vor.
    LG Susanne

  12. Kreativität voraus, so sehe ich das auch. Bin aber auch Nähanfängerin und noch am Experimentieren. Sehr oft stelle ich mir vor wie eine Profischneiderin die Hände überm Kopf zusammenschlagen würde… muss grinsen und trete weiter auf’s Pedal. Allerdings dachte ich bis eben auch dass es perfekter würde, mit der Zeit. Es gibt wohl tatsächlich Wichtigeres. 🙂 Was Du alls (er)schaffst neben dem ganz normalen Wahnsinn finde ich echt bewundernswert.
    Die Esme hätt ich jetzt glatt mit nem festen Webstoff genäht. Hat ja manchmal auch Vorteile wenn man für (hoch)schwanger gehalten wird. 🙂
    Freu mich schon auf’s Ashland dress Nähen. Nach einer Puppe für’s Mädchen.
    Lieben Gruß!

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