Stoffverarmungsangst

Das neue Jahr ist gerade 10 Tage alt und ich habe schon meinen ersten (und einzigen) guten Vorsatz gebrochen. Eigentlich war es gar kein offizieller Vorsatz, weil ich nicht der Typ für Vorsätze bin. Man bricht sie sowieso viel zu schnell (q.e.d), ist dann wieder frustriert und eigentlich braucht man ja auch nicht unbedingt einen Jahreswechsel, um eine ungeliebte Angewohnheit abzulegen. Also hatte ich mir nur ganz insgeheim etwas vorgenommen, eigentlich schon im Verlauf des letzten Jahres. Ich habe mir vorgenommen, weniger Stoff zu kaufen. (Ja, genau. Das war schon die Pointe.)

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Es ist nicht schwer zu raten, was jetzt kommt. Gestern habe ich rund 8m Stoff gekauft, und das nicht etwa, weil mein Stofflager zuhause komplett vernäht ist. Aber es findet sich ja immer irgendein Grund, das Stofflager zu vergrößern. Stoffe zu kaufen, egal wo, kurbelt die Phantasie an. Die vielen Farben, Muster und Qualitäten, die zahlreichen Kombinationsmöglichkeiten mit Schnittmustern. Stoff zu kaufen ist eine berauschende optische und haptische Erfahrung. Es macht süchtig.

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Es liegt auf der Hand: Kaum hat man eine neue Idee, kaum läuft einem hübsches Schnittmuster über den Weg, fällt auf: Nein, ein passender Stoff dafür ist gar nicht da. Es fehlt irgendwie immer die richtige Farbe in der richtigen Stärke aus dem genau richtigen Material. Besonders bitter ist, wenn der passende Stoff zwar da ist – aber eben nicht in ausreichender Menge. Da muss man eben in den sauren Apfel beißen und mal schnell die 15m holen, die man für das langärmelige Kleid mit Tellerrock, Futter und Petticoat braucht. Also ist mein Lager gestern um weitere 8m Stoff gewachsen, denn meine Tochter möchte unbedingt diese eine Kombi aus der Ottobre, der Sohn darf auch nicht leer ausgehen und ich? Ich muss natürlich ein Probekleid nähen für ein Schnittmuster. Das ich gestern auch gekauft habe. So ist das mit den Vorsätzen. Klassischer Fall von Denkste, klassischer Fall von Stoffverarmungsangst. Diese formvollendete Vokabel, deren genaue Schöpferin ich leider nicht kenne (es wurde bei den Nominierungen zur Wahl des Nähnerdworts 2014 genannt), bringt das absolute Horrorszenario jeder Nähnerdin auf den Punkt: Stell Dir vor, es ist Sonntag Abend und einer Eingebung folgend möchtest Du dieses eine Kleid nähen. Und Du hast keinen Stoff mehr.

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Diese gar schröckliche Vorstellung ist natürlich außerordentlich realistisch, angesichts eines Stofflagers von 3 großen Kisten und einem überquellenden Rollwagen. Wie soll man bei dieser Stoffarmut etwas Passendes finden, im Fall der Fälle?

Klar ist: es muss etwas passieren. Natürlich könnte ich es machen wie Antje von machen statt kaufen. Sie ist bewundernswert konsequent in ihrem Stoff-Shop-Verbot. Auch wenn man die eigene Arbeitskraft – und nicht etwa die ein paar südostasiatischer Kinder fleißiger Näherinnen – investiert für die eigene Kleidung, unreflektiertes Horten von Stoffen ist übermäßiger Konsum. Nicht mehr, nicht weniger. Leider bin ich nicht so konsequent wie Antje. Aber ich will meine Stoffbilanz genauer überwachen. Als kleine Hilfe habe ich mir dank einer Empfehlung auf Twitter eine App für mein Handy heruntergeladen. Dort kann ich meine Stoffe mit Bild und Beschreibung katalogisieren, farblich oder nach Material ordnen und eingeben, welche Menge ich davon habe. Ich erhoffe mir davon einen besseren Überblick über meine Stoffschätze und eine bessere Kontrolle, was meine Stoffbilanz angeht. Wer in die App mal reinschnuppern möchte: Für Android gibt es ‚Clothio‘ und für iPhone ‚Fabric Stash‘.

Aber vielleicht habt ihr auch eine ganz andere Variante, euren Stoff zu organisieren? Wie behaltet ihr den Überblick?

CC BY-NC-SA 4.0 Stoffverarmungsangst von Marja Katz ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-NichtKommerziell-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.

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Biologin aus Köln mit zwei kleinen Kinnings. Liebt ihre Familie, ihre Nähmaschine, ihr Cello.
18 comments
  1. Zum Thema Überblick sage ich mal lieber nix. Und der Rest hat mir einen herzlichen „ich fühle mich so ertappt“-Lacher beschert 🙂

  2. Überblick? Nach hin und her räumen im letzten Jahr, war mir klar, dass der Überblick mir verloren gegangen ist. Irgendwo zwischen der ersten, zweiten und der dritten Malm Kommode. 😉 die App ist gut. Aber ich brauche dringend besseres Licht, d.h. Tageslicht, damit da auch mal aussagekräftige Fotos kommen. Und nachmessen muss ich auch noch. Stoffverarmungsangst kam, glaube ich, bei Twitter auf. Dieser schwarz-weiße Herzchenstoff begeistert mich. Wäre war der preislich? LG

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      Ich finde leider, dass die App Schwächen hat. Ich kann z.B. keinen Jersey, Sweat oder Fleece eingeben. Da wären ein paar mehr Feinheiten schön, aber wer weiß, wohin sich das noch entwickelt. Und wie konsequent ich meine Stoffe damit überhaupt katalogisiere…

      Der Herzchen-Stoff ist eine sehr angenehme, schön fallende Viskose vom Reduziert-Tisch aus dem Bonner Karstadt. Preislich war er bei 3,50€/m, deswegen habe ich auch den Restballen (etwas über 4m) mitgenommen. Nicht sehr bescheiden, ich weiß. Aber da ich für den zugehörigen Schnitt über 3m brauche und das Muster mit der breiten Borte unten wahrscheinlich für viel Verschnitt sorgt, habe ich lieber alles gekauft. Man könnte natürlich schauen, ob es den im Kölner Karstadt auch gibt. Aber meiner Erfahrung nach ist das Sortiment eher unterschiedlich. Alfatex könnte auch etwas Ähnliches haben… 🙂

  3. liebe Marja,
    Ich überlege die ganze Zeit, ob ich eine ähnliche Stoffverarmutsangst bei mir entdecken kann. Aber eigentlich nein. Eigentlich…. Ich hab immer Angst, zuwenig von genau dem einen zu haben und kaufe ein paar Meter am Stück. Mit dem Ergebnis, dass ich das Teil aller Teile zwar nähen kann, dann aber für die weiteren Projekte schon wieder was fehlt usw.
    Also denn, machen wir doch einfach genauso weiter, scheint gar nicht so falsch zu sein *lach*
    Liebe Grüße, Sandra

  4. Ach Marja, du hattest dir doch auch vorgenommen, deine Kinder mehr zu benähen. Natürlich (!) geht das hur mit einer vorher genehmigten Stoffkombi – stell dir vor, die Sachen sind fertig und der Zwerg verweigert sich, weil die Stoffe nicht gefallen!
    Und als Trost für den gebrochenen Vorsatz darf Mama sich dann auch was gönnen.
    Ich habe eine große Ikea-Box randvoll mit Stoffen (hier zu sehen: http://frausonnenburg.blogspot.de/2014/12/kreativ-2015.html), die sozusagen öffntlich einsehbar rumsteht. Aber in mehreren Schrankfåchern habe ich weitere Vorräte gebunkert – und der nächste Stoffmarkt kommt bestimmt.
    Mein Vorsatz für 2015: Reste abbauen, von dene frau sich nicht trennen konnte. Auch nicht so einfach…

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      Achja, die Ikea-Kisten 🙂 Da von habe ich auch eine. Plus zwei richtig große Kisten. Plus eine Kiste für Jersey. Aber das meiste liegt auf meinem Nähwagen. Vielleicht sollte ich das Lager mal fotografieren 😉

      Manchmal ist es auch wie verhext mit den Stoffen: Sucht man etwas Bestimmtes, findet man nichts. Geht man „nur mal kurz schauen“ springen einen die tollsten Stoffe an und zwischen „Eigentlich wollte ich nichts kaufen…“ und „Nehm ich einfach alle?“ liegen manchmal nur Sekunden. Am besten ist dann das süffisante Grinsen des Gatten, wenn man schwer bepackt nach Hause kommt. Und er sich sein ironisches „Ich dachte, Du wolltest gar nichts kaufen…“ einfach nicht verkneifen kann.

      Ja, Reste abbauen! Da sagst Du was. Am meisten sammeln sich bei mir bunte Baumwollstoffe an. Würden noch für Patchwork reichen, aber eher nicht mehr für Kleidung. Sie passen farblich oder vom Muster her dann oft nicht ganz so gut zusammen und so liegen sie und harren der Dinge, die da kommen mögen. Ab und zu sortiere ich mal aus und verschenke an Nähanfänger oder, noch lieber, zum Basteln an den Kindergarten. Aber von den meisten Stoffen kann ich mich leider nur sehr schwer trennen. Und so liegen sie und warten… 😉

  5. Ich bin bei allem bei dir und seufze tief. Der Vorsatz, das Brechen desselben innerhalb nicht mal einer Woche, das Wissen und schlechte Gewissen. Schrecklich.
    Der Herzchenstoff ist trotzdem entzückend!
    Die App werde ich mir mal anschauen, aber letztendlich fühlt es sich für mich auch wie ein Konsum zum Konsumverzicht an. Schwierig das Ganze. Im Sommesemester will ein Seminar zur Soziologie der Mode und des Konsums anbieten, dann kann ich mich damit endlich umfassender beschäftigen. Und tausend Bücher pro Konsumverzicht kaufen, haha!
    Liebe Grüße aus NC,
    Juli

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      Ich denke, diese Problem kennt fast jede Nähnerdette. Die App ist gratis – das kann das Konsum-Argument etwas entkräften.

      Dein Seminar hört sich aber spannend an! Mit Büchern ist es ein wenig wie mit Stoff finde ich! So viele sind zauberhaft, man hat nie genug. Alte Entsorgen? Blasphemie! Das geht nun wirklich gar nicht! Und so werden es immer mehr. Bücher. Und Stoffe. Was soll man da tun?
      Einmal laut jammern und sich dann heimlich still und leise an den vielen Schätzen freuen, die man so aufgespürt hat.

  6. Der Kranz zur Stoffpräsentation ist echt eine super Idee!

    Liebe Grüße,
    Frau Lotterfix

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      Danke! Den gab es in dem kleinen Blumenladen an der Sülzburgstraße/Ecke Luxemburger. Ein richtiges Schmuckstück ist das 🙂

  7. Hallo Marja,
    der Viskosestoff mit den Herzen ist toll! Habe ihn auch bei Karstadt gekauft. Und sogar schon verarbeitet. Musste mich bremsen, aber habe nur 1,5 m gekauft. Was ich jetzt natürlich bereue, denn aus dem tollen Stoff würden ein Kleid oder ein zweites Oberteil sicherlich auch toll aussehen.

    Du kannst bei mir im Blog schonmal sehen, wie der Stoff verarbeitet aussieht.

    Liebe Grüße
    Tine

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      Da ich wegen der Borte mit sehr viel Verschnitt gerechnet habe, habe ich alles genommen. Das war auch gut so! Gestern habe ich zugeschnitten und es hat genau gepasst 🙂

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      Hi Tine,
      hab bei Dir im Blog leider keine Möglichkeit gefunden zu kommentieren… Der Stoff ist wirklich ein Schmuckstückchen und ich finde Deine Bluse sehr gelungen. Die Borte ist wirklich ein Traum und ein perfekter Abschluss für Säume 🙂
      LG
      Antonia

      1. Hallo Ihr Beiden!
        Diesen Stoff mit den Herzen suche ich schon eine ganze Weile, also naja, so einen in der Art und Eurer hat genau meinen Nerv getroffen. Also gleich losgedüst zu Karstadt, aber leider ist hier nur eine kleine Filiale mit arg limitiertem Angebot. Die Verkäuferin bot mir aber an, ihn aus einer anderen Filiale kommen zu lassen, ich bräuchte ihr nur die Nummer zu geben. Und die würde auf dem Kassenbon stehen… Hätte den eine von Euch beiden zufällig noch?
        Liebe Grüße, Nane

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          Puh, das kann sein! Muss ich heute Nachmittag mal schauen! Hoffentlich finde ich den noch…

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          Du hast Glück, ich habe den Bon eben gefunden. Da steht:
          ’60 Druckstoff 140cm 004 2246105992514′
          Ich hoffe, das hilft Dir weiter!
          LG
          Antonia

          1. Antonia, Du bist ein Schatz! Muss jetzt leider los zu Karstadt 😉 Und berichte später!

  8. Tja, Geburtstag war gestern, heute ist wieder Realität… Oder einfach nur Freitag? Jedenfalls hatte die Filiale in unserer Stadt heute vormittag Betriebsversammlung, da stand ich nun mit meiner Nummer und dem Bild vom Stoff vor verschlossenen Türen. Also in den sauren Apfel gebissen und bis nach Frankfurt gefahren, die haben eh die größere Stoffauswahl, und so hatte ich auch gleich noch die Hoffnung im Gepäck den Stoff gleich vor Ort zu bekommen. Leider auch Fehlanzeige. Und der Verkäufer erklärte mir dann freundlich, dass die Nummer von Deinem Kassenbon für jedweden reduzierten Druckstoff verwendet würde, und sie somit noch 900 Meter davon vorrätig hätten…
    Es hat nicht sollen sein! Trotzdem noch mal ganz, ganz lieben Dank für Deine Mühe, ich habe mich echt gefreut, dass Du mir die Nummer rausgesucht hast, das war fast so gut wie die Geschenke, mit denen ich überrascht wurde. Zu den Nähutensilien und der Schneiderbüste passend kam dann heute auch noch das Schnittmuster für das berühmte Onion-Knotenkleid an, und ein Probestoff für’s erste Nähen findet sich in jedem Fall im Fundus – mal abgesehen von den knapp 4m, die unbedingt bei meinen beiden Karstadt-Besuchen diese Woche vom Reduziert-Tisch zu mir nach Hause wollten… Stoffverarmungsangst habe ich nicht, aber einfach ein zu weiches Herz ;-))) Liebe Grüße, Nane

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